ODE AN MEINEN KUGELSCHREIBER

Man kann ja auf die blödesten Gedanken kommen.

Obwohl es natürlich überhaupt keine blöden Gedanken gibt.

Ich sitze hier nun also mal wieder, übrigens immer noch völlig verrückt nach diesem Wesen, das ich nie bekommen werde, das aber dafür sorgt, dass ich den Wein auf leeren Magen trinken muss, weil ich nicht essen kann. In meiner Hand mein Kugelschreiber. Das überrascht.

In meiner anderen Hand das Weinglas. In der anderen die Zigarette. Und in meiner Hand das Knabberzeug. Tolstoi in der anderen Hand. Krieg und Frieden. Habe ich nie gelesen. Wie auch immer.

Dieser Kugelschreiber fühlt sich verdammt gut an. Der von meinem Vater. Also nicht irgendein Kuli, nein m e i n Kugelschreiber. Was ich damit schon alles zusammengewurstet habe. Und jetzt, denke ich mir so, genau jetzt ist der Zeitpunkt, ihm zu huldigen.

Erst mal hat er genau das richtige Gewicht. Genau wie ich. Es ist ein schwerer Kugelschreiber. Und dann ist er so treu! Er ist immer da, wo ich gerade bin, da kann ich mich wirklich drauf verlassen. Und er ist so flexibel, was ja gerade heute ein viel gefragte Eigenschaft ist. Er kann auch verschieden Sprachen schreiben. Er scheut sich weder vor verrauchten Kneipen mit abgebrochenen Künstlern, noch vor eleganten, elitären Edelcafés. Und wie sanft und gleitend er über die verschiedensten Materialien schwebt: Servietten, Ökopapier, Zeitungsränder, Bierdeckel – nie beklagt er sich. Und dann dieses tiefe Blau, diese Kombination aus hart und weich.

Bierwurst. Diese entsetzliche Ausgeburt der deutschen Sprache ging mir gerade durch den Kopf. Aber das hat jetzt wirklich nichts mit meinem Kugelschreiber zu tun. Nehmen wir es als Intermezzo.

Man kann mit meinem Kugelschreiber auch lustige Dinge tun, wie zum Beispiel prominenten Titelgesichtern bei weniger prominenten Friseuren oder Zahnärzten Bärte, Brillen, Hörner oder ähnliche unentbehrliche Accessoires verpassen. Und wenn mir dann wütende Doktoren oder Meister mit Bohrern und Scheren drohen, und ich schnell weglaufen muss, wer ist dann bei mir, wieder und immer er, mein Kugelschreiber.

Nicht auszudenken, dass er mich jemals verlassen könnte.

Als der Pudel (ich denke, zu einem Pudel muss man nichts weiter sagen, da ist jedes Adjektiv überflüssig) unserer Nachbarn gestorben ist, sagte die nicht viel lebendiger aussehende Besitzerin, man gewöhnt sich ja auch an so’n Tier, nech, bevor sie abermals in Tränen ausbrach. Wollte sie mit diesen Worten ihren Schmerz über den erlittenen Verlust ausdrücken? Wie kalt! Würde mein Kugelschreiber von mir gehen, wäre ich nicht einmal fähig, meine Verzweiflung in Worte zu fassen!

Der schreibt echt gut.