ERSTE SENILE ANFLÜGE

Morgenstund hat Gold im Mund. Meine selige Großmutter ist jeden Morgen um halb sechs aufgestanden und hat nach ein Paar Leibesübungen ihr Tagwerk begonnen. Auch später, als jenes nur noch aus Fernsehsendungen, Kochen und schimpfen bestand. Jahre, ach was, jahrzehntelang habe ich mich gefragt, was einen dazu bewegen kann, um halb sechs aufzustehen, wenn man keinerlei Termine oder Verpflichtungen hat.

Nun entdecke ich seit einiger Zeit an mir eine seltsame und schleichende Wandlung. Es erfüllt mich neuerlich mit einer tiefen Befriedigung, wenn ich es schaffe, auch ohne Termine pünktlich um sieben Uhr aufzustehen.

Was man da alles machen kann!

Nun sitzt man ja schon mal länger auf der Toilette. Einmal, weil es dort ruhig und gut geheizt ist, dann wegen des spannenden Buches, dann wieder wegen der genialen Gedanken und Ideen. Es kommt schon das eine oder andere Mal vor, dass man nach einer halben Stunde vergessen hat, ob man eigentlich groß gemacht hat oder nicht, in schwerwiegenden Fällen kann einem sogar streckenweise das Bewusstsein für den Ort verloren gehen, an dem man sich aktuell befindet.

Auch ertappe ich mich mit steigender Häufigkeit bei einem inneren Kopfschütteln, das mir mitunter schon Nackenschmerzen verursacht und jenen Jünglingen gilt, die mit halb heruntergezogenen Hosen oder nicht ganz aufgesetzten Schirmmützen meinen Weg kreuzen. Herrje, was reizt die jungen Menschen an einem kalten Hintern und der ewigen Furcht, der Mütze verlustig zu gehen?

So mit Kopfschütteln und Grübeln befasst trat ich unlängst auf die Straße, bestieg die Straßenbahn und setzte mich vis a vis einer sympathischen älteren Dame. Der Blick jener Dame war schwer zu deuten, aber sie schien sehr irritiert. Ich folgte ihren Augen, sah an mir herunter, und da begriff ich, dass ich mal wieder die Reihenfolge durcheinandergebracht hatte. So saß ich dort im Pyjama und in Schnuffelpuschen und ich meine aus dem Gemurmel der Dame die Frage herausgehört zu haben, warum sich die jungen Menschen bloß so seltsam kleiden.

In diesem Sinne darf ich mich hier kurz verabschieden – ich sitze hier schon so lange auf der warmen Brille und müsste jetzt mal prüfen, ob es eine Parallelproduktion gegeben hat…

 

INTERMEZZO

Orangensaft wird niemals pfeifen können!