TIEFERGELEGT

Was für eine angenehme kleine ruhige Stadt.

So dachte ich noch vor einigen Jahren, als ich mich hier niederließ.

Alle Annehmlichkeiten einer Großstadt einschließlich der für mich so überaus lebenserhaltenden Café-und Kneipenlandschaft, jene gar in einer Hülle und einer Fülle. Hier und da touristenlockende Kopfsteinpflastergässchen und wirklich sehr alte Häuser, dann wieder hochmoderne Konzepte für diese Menschen mit den Einheitsfrisuren und Brillen und ihren Lieblingswörtern kreativ, innovativ, individuell etc. Nicht zu vergessen natürlich die Straße, bzw. die Allee, die nun wirklich jeder kennt und sehen wenn-nicht-will-dann-muss. Die Straße der flanierenden oft ein Leben lang zerhungerten Körper in übermäßig preisintensiven Röckchen und Schühlein. Aber insgesamt doch eben alles überschaubar, lieblich fast, und mittig schlängelnd geteilt durch diesen wundervollen dicken fetten Fluss.

Jener ist ewig, vielleicht.

Doch seit einiger Zeit geschehen verwirrende Dinge. Große dicke Maschinen auf Rädern und Ketten knabbern an meiner Stadt. Nicht erst hier und dort ein bisschen, nein, sie zerknabbern alles gleichzeitig, überall wird geknuspert, keine Straße, kein Baum ist mehr sicher vor ihnen und hat man gestern noch einen Weg gekannt, gähnt dort morgen vielleicht schon ein länglicher Krater.

Mein Arbeitsplatz wird jetzt mittels eines Lasers permanent beobachtet, falls die Krater zu laut gähnen und dabei versehentlich das Haus verschlucken, in dem wir sitzen. Höhenverstellbare Stühle wurden bereits verboten, nachdem sich jemand setzte, den Stuhl herunterzischen ließ und damit den Absack-Großalarm auslöste.

Die Stadt wird tiefergelegt.

Aber jetzt mal angenommen, alles sackt einfach ein Stockwerk tiefer, das wäre doch auch mal was! Oben wäre dann ja quasi nichts mehr, was einen stören könnte. Nach und nach würde die Natur sich ihr Territorium zurückerobern. Zunächst wüchse sicherlich einmal eine Menge Gras über die Sache. Die vielen nun ja begehbaren Hausdächer würden eine mosige Landschaft bilden, überhaupt entstünde eine bizarre Kraterlandschaft mit ihren unterirdischen Bewohnern. Und über dieser Kraterlandschaft nur Himmel, ganz viel davon, und jede Menge Platz. Platz zum Handstand machen, zum Drachen steigen lassen, zum Purzelbäume schlagen, zum einfach Daliegen und in den Himmel schauen.

Ein „Geh raus, spielen!“ würde zu einem „Geh hoch, spielen!“.

Kinder, runterkommen, Abendbrot!

Wir werden sehen. Wir werden sehen.