SEITWÄRTS
Es gibt ein Gedicht, in dem darüber sinniert wird, dass die rückwärtsfahrende Person in einem Zug alles ganz langsam vorbeiziehen sieht, während der, der vorwärts fährt die Welt vorbeirasend glaubt. Stimmt.
Ich denke an dieses Gedicht, als ich in die U-Bahn steige und mich setzte. Der Zug fährt vorwärts, nehme ich an, nur ich nicht. Plötzlich kommt mir diese Art des Reisens unnatürlich vor. Wenn ich zur Seite sehe, sehe ich keineswegs eine vorüberziehende Landschaft oder auch nur eine vorüberziehende Tunnelröhre, ich sehe U-Bahn. Und mir gegenüber sehe ich Buntes. Plateauturnschuhe aus weißem Kunstleder zum Beispiel, elegant abgedeckt mit einer unten ausgefransten, viel zu langen Cordhose. Dazwischen eine Penaten-Presswurst in Form einer französischen Bulldogge. Karottenjeans mit diesen praktisch-und-preiswert-Schuhen. Müslischuhe, gut auch für den stärkeren Fuß, und passend zu dem darüber, über der Blümchensocke, herausragenden Streifen stark behaarten Damenbeins.
Irgendwie zeigt alles auf die Schuhe: Die Schultern deuten unauffällig in diese Richtung, aber sie sind nichts gegen die Mundwinkel, die wie viele kleine Pfeile sagen „Guck mal, Schuhe !“
Es herrscht überhaupt eine ungeheure Ausgelassenheit bei so einer Seitwärtsfahrt.
Die Tür öffnet sich, und ein winziger Mann kommt hinter seiner Gitarre hervor, um diese Ausgelassenheit durch eine feurige spanische Begleitung zu beflügeln. Wie auf Kommando zeigen nun auch alle Nasen auf die Schuhe.
Der Latino fährt vorwärts. Mir wird plötzlich klar, dass er Recht hat! Spontan stehe ich auf und beginne, an der Sitzbank zu rütteln, bis mir zwei leere Bierdosen und ein Rentner entgegenrollen, und kurz vor der nächsten Station haben wir es geschafft: Wir fahren jetzt vorwärts!
INTERMEZZO
Ich möchte eine Frisur,
die so aussieht,
wie ein Fisch aussähe,
wenn er Haare hätte.