BEGABUNG

Ich habe mal eine Aufnahmeprüfung am Konservatorium gemacht. Für Schauspiel. Tschechow und Maeterlinck.

Wir sollten im Catsuit auftreten, dafür habe ich extra wochenlang Gymnastik gemacht, damit ich beim Sprechen nicht die ganze Zeit die Luft anzuhalten brauche.

Nach einem Satz unterbrach mich der Meister. Die Arme, ich soll die Arme gebrauchen. Mir war nicht ganz klar, warum ich bei einem dramatischen Monolog mit den Armen rudern sollte, aber ich ruderte brav. Raum, ich sollte den Raum benutzen. Immer noch wild rudern ging ich auf der Bühne umher, immer noch tapfer meinen Text sprechend. Mehr Raum, größere Gesten. Ich zerschlug kurzerhand einen Stuhl, verlängerte mit den Stuhlbeinen eindrucksvoll meine Extremitäten, um nun, den Text weiter brav skandierend, in den gesamten Weiten des Raumes umherzuspringen.

Stop !

Vielleicht dann doch erst mal die zweite Rolle. Maeterlinck also. Ich war eine Pappel. Um eine Pappel möglicht eindruckvoll darzustellen, dachte ich, stehe ich am besten einfach nur da. Ich stand. Ab und zu bewegte ich eine Hand – es war leichter Wind im Wald. Nach zwanzig Minuten kam der Meister auf die Bühne. Er sah mir tief in die Augen und sprach dann ganz langsam und leise, als hätte er Angst, dass ich ihn anfallen könne: Sie sind unbegabt. Vollkommen unbegabt. Gehen Sie nicht einmal in die Nähe einer Bühne. Gehen Sie zum Film.

 

 

INTERMEZZO

Eigentlich wollte ich das Leben spielen;

Jetzt schreibe ich es eben.